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Geschichte

Geschichte der SPD Osdorf

Die bewegte Geschichte der Osdorfer Sozialdemokratie beginnt im Jahre 1906 mit der Gründung des ersten Ortsvereins. Somit blicken wir hier in Osdorf nicht ohne Stolz auf über 110 Jahre SPD zurück.

1906: Gründung des Ortsvereins Osdorf

Der Fußgendarm Dumke aus Groß Flottbek war es, dessen Bericht wir die dokumentierte Kenntnis verdanken, dass der Ortsverein Osdorf der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vor hundert Jahren am 15.6.1906 gegründet wurde. Sein Polizeibericht liegt nämlich wohl verwahrt im Hamburger Staatsarchiv, denn seit 1938 ist Osdorfer Geschichte durch das Groß-Hamburg-Gesetz auch Hamburger Geschichte. 1906 aber gehörte Osdorf zum preußischen Amtsbezirk Blankenese, der übrigens auch noch nicht zur Stadt Altona, ebenfalls preußisch, gehörte. Das passierte erst 21 Jahre später im Jahr 1927.

Was geschah am 15. Juni 1906?

Am 14. Juni, also nur einen Tag vorher, hatte der Vorsitzende des Ortsvereins Blankenese und Umgebung, der Genosse G. Gonder, von Beruf Schneider, schriftlich dem damals kommissarischen Amtsvorsteher Blankenese, Herrn v. Seidlitz, eine Mitgliederversammlung für "Freitag, den 15. Juni 1906 8 ½ abends im Lokal des Gastwirts H. Eggers Osdorf angemeldet". Seidlitz erließ umgehend die damals übliche Verfügung an die Polizei: "zur gefl. Kenntnisnahme, Überwachung und Anzeige über den Verlauf der Versammlung. gez. v. Seidlitz ". So musste sich der Fußgendarm Dumke am nächsten Tag wohl bald nach 7 Uhr von Groß Flottbek, seinem Polizeiposten, auf den Weg gemacht haben, um die Versammlung der Sozialdemokraten vom Eintreffen bis zum Ende beobachten und darüber berichten zu können. 19 Personen zählte er in der Versammlung, wie er in seinem Bericht vom nächsten Tag schreibt. Die für uns entscheidende Feststellung erfolgte aber erst zum Tagesordnungspunkt 3 "Verschiedenes" und lautete: "Heute tagte zum ersten Mal die Versammlung als selbständiger Ortsverein "Osdorf" unter Vorsitz des Maurers Beckmann als Vorsitzender." Sein Nachsatz sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt: "Ob der nun gegründete Ortsverein polizeilich angemeldet ist bezweifle ich." Wie auch immer, die Osdorfer Genossen hatten seit dem 15. Juni 1906 einen eigenen Ortsverein. Warum aber konstituierte sich der Ortsverein unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes"? Das "Sozialistengesetz" von 1878 "wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" mit seinem Verbot der sozialdemokratischen und sozialistischen Vereine war zwar 1890 nicht wieder verlängert worden, aber obwohl die SPD seitdem im Rahmen der Legalität arbeiten konnte, erlaubte der Gesetzgeber erst 1908 eine offene Mitgliedschaft im ganzen Reich.Repressionen gegen Sozialdemokraten

Das Sozialistengesetz hinderte aber nicht den wachsenden Zuspruch bei den Reichstagswahlen. Der Stimmenanteil für sozialdemokratische Kandidaten stieg von 1878 mit 415.000 auf 1.427.000 Stimmen im Jahr 1890; immerhin ein Stimmenanteil von fast 20 Prozent. In Preußen galt bis 1908 die "Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinsrechts" vom 11.3.1850, dessen § 8 festlegte: "Für Vereine, welche bezwecken, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern, gelten ... nachstehende Beschränkungen: a) sie dürfen keine Frauenpersonen, Schüler und Lehrlinge als Mitglieder aufnehmen; b) sie dürfen nicht mit anderen Vereinen gleicher Art zu gemeinsamen Zwecken in Verbindung treten, insbesondere nicht durch Komitees, Ausschüsse, Zentralorgane oder ähnliche Einrichtungen oder durch gegenseitigen Schriftwechsel." 1906 war es noch Pflicht, der Polizeibehörde die Aufnahmen sowie die Austritte aus der Partei zu melden. Die SPD reagierte damals flexibel zur Vermeidung von Repressionen. Versammlungen wurden zumeist sehr kurzfristig angemeldet (siehe oben). Und auf die Gründung eines Ortsvereins an diesem Tag wollte man sicher die Polizei nicht mit der Nase stoßen. Allerdings: die Polizei hätte es wissen können, wie die Vorgeschichte zeigt.

Was stand noch auf der Tagesordnung am 15. Juni 1906?

Zu TOP 1) Aufnahme neuer Mitglieder konnte der Gendarm nichts vermelden. Mit TOP 2 "Vortrag über das neue Schulgesetz" ging es dann aber hart in die Sache. Gendarm Dumke berichtet: "Der Einberufer Gonder spricht in sehr gehässiger Art und Weise über das neue Schulgesetz. Nur die herrschende Klasse mache dieses Gesetz, sie will das Volk verdummen, ihnen den Bildungsgang vorenthalten, die Religion von dem alten lieben Gott allein, soll für den Arbeiter genügen, woran sie selbst nicht glauben, soll den Arbeiterkindern aufgedrängt werden. Als beste Quittung und Protest gegen das neue Schulgesetz ist der Massenaustritt aus der Landeskirche, welchen er den Osdorfer Genossen nur bestens empfehle. Auch der Geschichtsunterricht in der heutigen Volksschule (auch wiederholt Armenschule genannt) ist nur lauter Lug und Trug. Daß die Volksschule für die heutige Zeit ungenügend lehre, wird am besten bewiesen, dass gerade die besser gestellte Menschheit ihre Kinder in bessere Schulen schickt."

Wie es zum 15. Juni 1906 kam und was die Polizei schon wusste

Einen Monat vorher nämlich, am Freitag, den 11. Mai 1906, hatte auch schon eine Mitgliederversammlung des Ortsvereins Blankenese und Umgebung mit 23 Personen stattgefunden, und zwar ebenfalls in der Gaststätte Stadt Hamburg in Osdorf. Und auch hier war es der Gendarm Dumke, der den Bericht schrieb und als Tagesordnungspunkt 1) nannte er die "Gründung eines Ortsvereins zu Osdorf des sozialdemokratischen Zentralvereins für den 6. Schleswig-holsteinischen Wahlkreis" [zum Reichstag]. Im Bericht heißt es dazu: "Schneider Gondorf aus Sülldorf empfiehlt die Gründung eines Ortsvereins Osdorf, welches einstimmig angenommen wird. Derselbe soll Mitte Juni d. J. in Kraft treten". Und so geschah es denn ja auch am 15. Juni 1906. Auch am 11. Mai 1906 stand noch mehr auf der Tagesordnung Fangen wir mit dem harmloseren Teil an. Unter dem TOP Verschiedenes wurde angeregt, einen sozialdemokratischen Arbeiter-Gesangsverein in Osdorf zu gründen. Schon am Mittwoch darauf sollte eine Gesangsprobe stattfinden. Dann war da aber noch ein Bericht des Vorsitzenden Gonder über die "Güstrower Kriegervereinssache". Von der Sache wissen wir nichts, aber in diesen Vereinen war nicht nur der kriegerische Nationalgedanke zu Haus, sondern auch viel Geselligkeit; beides lässt sich ja auch gut verbinden. Jedenfalls genügt der kurze Bericht des Gendarmen Dumke, um zu verstehen, dass bei einer Feier in Güstrow, die keine SPD-Feier war (!), nicht alles "ordentlich" ablief. Der Gendarm schrieb auf: "H. Gonder trägt der Versammlung die Güstrower Kriegervereinssache, wie er schon am 23.2.06 es getan, heute wiederum vor. Die Kriegervereine sind unmoralisch, der beste Beweis ist in Güstrow bei der Fahnenweihe passiert. Ein Wirt hatte für diesen Tag nicht weibliche Sklaven genug und ließ sich noch solche aus Hamburg schicken. Die Kriegervereinsmitglieder liefen im Gänsemarsch nach dem Wirt. Ein Greis von 70 Jahren bezahlte 10 M im voraus, damit er die erste Nummer bekäme."

Wieviel Mitglieder hatte der OV Osdorf in seinen Anfängen?

Die Zahl am Tag der Konstituierung, war in den Akten des Staatsarchivs nicht zu finden. An einem Freitagabend und aus diesem Anlass werden aber wohl nicht wenige Zeit und Gelegenheit gehabt haben, teilzunehmen. Der Vorsitzende des OV Blankenese, Gonder, dessen Vornamen ich nur als "G." fand, wohnte in Sülldorf und - auch wenn der Weg nicht kurz war - waren doch sicher weitere Genossen dort, die nicht in Osdorf wohnten.

Man ging zu Fuß

Auch von Osdorf zum Beispiel nach Blankenese ging es zu Fuß, wie ein Polizeibericht, diesmal vom Polizei-sergeanten Neumann, vom Januar 1908 über eine Volksversammlung im Lokal H. Eggers mit "100 männlichen und 20 weiblichen Personen" aussagt. Dort machte der Vorsitzende Beckmann eine große Versammlung am Sonntag, den 16.1.1908 um 2 Uhr Nachmittag in "Blankenese Johannisburg" bekannt und forderte alle auf, zahlreich hinzugehen. "Zuvor sollten sie sich vor dem Lokal Eggers einfinden um zusammen einen Spaziergang nach dort zu machen. Denn wenn die Feuerwehr und der Kriegerverein es darf [nämlich teilnehmen; die Red.], können wir´s auch. Denn es bleiben sogar die Straßenlampem länger brennen damit sie nach Hause finden". Eine Gefälligkeit, die sicher nicht den Genossen gelten sollte. Die 19 Anwesenden am 15. Juni 1906 könnten aber doch zu einem guten Teil aus Osdorf gekommen sein, denn schließlich ging ja um die Konstituierung "ihres" Ortsvereins. Weitere Unterlagen weisen bis Ende August 7 Beitritte auf und weitere 16 bis Ende des Jahres 1906. Allerdings wurden auch 5 Austritte gemeldet. Diese fünf müssten am 15. Juni Mitglieder gewesen sein. Von den 23 Eintritten in 1906 (bis 6.11.) nach der Gründung des Ortsvereins, tauchen 7 nicht mehr in der Mitgliederliste vom Juli 1907 auf, müssen also als Ausgetretene angesehen werden. Die Mitgliederliste vom Juli 1907 des OV Osdorf weist 74 Mitglieder auf. Dabei war, weil es noch verboten war, keine einzige Frau.

Die Frauen und die SPD damals

Am 17. November 1905 war dies Thema in einer öffentlichen Frauenversammlung im Lokal des Herrn David in Dockenhuden, in der 10 Frauen und 3 Männer anwesend waren. Der Polizeibericht lautete: "Die Frau Wartenberg aus Altona, als Referentin, berichtete über den Verlauf des Soziald.Parteitages in Jena. .... Der Parteitag in Jena habe beschlossen, daß von jetzt an auch die Frauen sich mit soziald. Politik beschäftigen sollen. Dieses wäre durch den § 10 des neuen Organisationsstatuts festgesetzt. Da die Frauen berufen sind, die Kinder in die Welt zu setzen und zu erziehen, ist es notwendig, daß die Frauen soweit politisch geschult werden, damit sie in der Lage sind, ihre Kinder im soziald. Sinne zu erziehen." Wesentliche Zuwächse scheint es danach aber nicht gegeben zu haben. Zum Vergleich sei hier - willkürlich - auf die Zeit von 1925 bis 1927 verwiesen: 1925 gab es in Osdorf 95 SPD-Mitglieder (davon 24 Frauen) und 1927 85 Mitglieder (davon 21 Frauen). Der Osdorfer Ortsverein begann nach den Polizeiberichten sehr fleißig. Nach der Gründung fanden in 1906 noch 8 weitere Versammlungen statt. Geplant waren sie für jeden zweiten Freitag im Monat um 8:30 Uhr "in dem Lokal der Gastwirtschaft H. Eggers in Osdorf". Die Teilnehmerzahlen lagen bis Mitte September um 25, wobei erstmals für August die Anwesenheit von 3 Frauen im Bericht gemeldet wurde. Im September waren es 5 Frauen. Im Oktober wurde von "41 Personen einschl. 4 Frauen" und im November von "54 Personen einschl. 8 Frauen" berichtet. Eine "Öffentliche Volksver-sammlung am 30.12.1906 besuchten schließlich "143 Personen einschl. 26 Frauen".

Die Struktur der Mitglieder

Die erhaltene Mitgliederliste vom Juli 1907 nennt die Namen und den Beruf der 74 Mitglieder. Diese Liste (s.S. 8), die den Eingangsstempel des Amtes vom 31. Juli 1907 aufweist, hatte der 1. Vorsitzende Wilhelm Beckmann, er selbst war Maurer, mit dem Zusatz vorgelegt: "Ersuche um eine diesbezügliche Bescheinigung" Nach dieser Liste ergibt sich folgende Struktur: 43 Arbeiter 14 Maurer 8 Zimmerer 2 Klempner 2 Schlosser 2 Tischler 1 Bäcker 1 Gärtner 1 Schuster Unter Arbeitern dürfte man dabei weitestgehend Landarbeiter verstehen. Und übrigens, auch wenn dies nichts mit der sozialen Struktur zu tun hat, sondern eher mit dem Nationalgefühl der Eltern: 11 der Osdorfer Genossen in 1907 hießen Heinrich und immerhin 7 hießen Wilhelm. Ein bißchen wettgemacht wird dies aber durch 12 Johann bzw. Johannes.

Das Lokal Eggers in Osdorf

Eine erste Meldung über ein Treffen von Sozialdemokraten im Lokal Eggers fand ich für den 18. Juni 1899, aber das muss ja nicht das erste Mal überhaupt gewesen sein. Für diesen Tag abends 8 Uhr wurde vom damaligen Vorsitzenden H.F.W. Deutsch des Sozialdemokratischen Vereins für Blankenese und Umgebung eine Öffentliche Versammlung "im Lokal der Witwe Eggers Osdorf" angemeldet. Diese Frau war Anna Catharina Margaretha Eggers, geb. Knabe, die Witwe von Johann Hinrich Eggers. Dieser hatte schon 1869 von seinem Schwiegervater Johann Hinrich Knabe ein Teil dessen Hofes im Ortskern Osdorf gekauft und kaufte im Jahr 1886 noch ein anderes Teilstück des früheren Hofes von Knabe an der Osdorfer Landstraße, das bereits durch mehrere Hände gegangen war. Das dort bestehende Gebäude (Osdorfer Landstraße 202), wurde von ihm zur "Gaststätte Stadt Hamburg" umgebaut. Der Witwe folgte 1900 der Sohn Johann Heinrich Friedrich Eggers und bei ihm als Gastwirt tagte am 15. Juni 1906 erstmals der Ortsverein Osdorf. 1913 verkaufte Eggers an das Ehepaar Johann Brockmann und Berta Catharina Margarethe, geb. Ramcke, aus Altona. Deren Sohn Gerhardt verkaufte die Gaststätte 1988 an Walter Leseberg, der gegenüber eine Mercedes-Niederlassung hat. Seine Pläne für eine Modernisierung der Gaststätte wurden leider nicht umgesetzt. Das Gebäude blieb nach einem Brand noch eine zeitlang stehen und wurde dann abgerissen. Jetzt ist das Gelände ein Abstellplatz der Fa. Leseberg für Lkw. 1902 aber wurde zum Beispiel auch das Lokal W. Leseberg vom Blankeneser Wahlverein besucht, das am Diekweg, gegenüber der heutigen Schlachterei Radbruch lag. Auch dieses Lokal gibt es heute nicht mehr.

Zum Schluss

Die Geschichte des Ortsvereins müsste hier eigentlich weiter erzählt werden, damit für die Leser der Bogen über die Anfangszeit, das Ende des Kaiserreiches, die Revolutionszeit zum Ende des I. Weltkrieges, die Weimarer Republik, die Nazi-Zeit und den demokratischen Wiederbeginn nach 1945 bis heute gezogen werden kann. Aber leider finden sich speziell über Osdorf nur ganz wenige, jedenfalls für uns greifbare Quellen. Bei einem Sprung in die Zeit des Neubeginns 1945 stellen wir fest, dass es einen Ortsverein oder Distrikt Osdorf nicht mehr gab, dafür einen Distrikt Lurup-Osdorf. Diese Zusammenlegung muss vor 1933 erfolgt sein, denn die Distriktsfahne, die der Wohnbezirksvorsitzende von Osdorf-Mitte, Adolf Lehmann (Jahrgang 1906 wie unser Ortsverein; er starb am 2.1.1995) während der Nazi-Zeit unter seiner Bettmatratze versteckt hielt, hatte die Aufschrift Lurup-Osdorf. Aber wann und warum der Zusammenschluss geschah, wissen wir (jedenfalls zur Zeit) noch nicht. Sehr wohl wissen wir aber, dass die seit 1974 geführten Überlegungen zur Neuordnung der Distrikte, wieder zu einer Aufteilung führten. Die Wohnungsbautätigkeiten hatten den ohnehin bestehenden Mitgliederzuwachs verstärkt. Ziel war es, dass wieder überschaubare und "handhabbare" Einheiten entstehen, jedenfalls das Größenverhältnis der Distrikte einigermaßen ausgeglichen ist. Lurup-Osdorf hatte - wenn das Gedächtnis nicht trügt - über 700 (!) und Osdorf nach der Aufteilung noch über 350 Mitglieder gegenüber heute 160. Die Gründungsversammlung des wieder neuen Ortsvereins "Distrikt Osdorf" fand am 19. Januar 1976 im Alten Gemeindesaal in Osdorf statt, auch den gibt es nicht mehr. Vorsitzender wurde damals Karl-Heinz Winking, sein Vertreter war Gerd Gries und Kassierer Günter Sternberg.

aus: Osdorfer Echo, Nr. 91 - Sonderausgabe, Redaktion Ingo Sengebusch

Osdorf - ein kleiner Gang durch die Geschichte

Als Oslevesthorpe, Dorf des Oslev, wurde dieses Dorf, eher eine sehr kleine Ansammlung von Bauernstellen, 1268 erstmals urkundlich erwähnt. Bemerkenswert ist, dass es dabei um die Schenkung eines in Osdorf gelegenen Grundstücks (Hufe) ging, mit dem ein Hamburger Ratsherr belehnt war. Heinrich hieß er, Sohn des Hammos oder feiner ausgedrückt, Henricus Ammonis. Der Graf von Holstein wollte es dem Kloster "Herwerdeshude" schenken, das ursprünglich auf dem Hamburger Berg (heute St. Pauli) lag, aber 1295 in die Alstergegend verlegt wurde, wo der Stadtteil deswegen heute Harvesterhude heißt.

Ob Karl der Große bei seinen Feldzügen gegen die Sachsen bis in das Gebiet des heutigen Osdorf vorgedrungen ist, wissen wir nicht, und das militärische Feldlager, die heutige Graf-Baudissin-Kaserne, wurde ja erst 1934-1936 errichtet.

Im Jahr 1110 wurden die Schauenburger Grafen mit Holstein belehnt. Der erste, Adolf I., wohnte dann aber lieber in seiner "Stadt" Hamburg, zu der Osdorf später nicht nur durch den genannten Ratsherren Heinrich in Verbindung stand, sondern z.B. auch, etwa zur selben Zeit begründet, durch das Hamburger Domkapitel. Dieses erwarb Rechte an Grundstückseinkünften in Osdorf, die Jahrhunderte überdauerten. Mit Adolf VIII. starb diese Linie 1460 aus und Christian I. von Dänemark gelang es, sich zum Herzog von Schleswig und Grafen von Holstein küren zu lassen. Das gelang auch durch das Zugeständnis der Einheit und Unteilbarkeit von Schleswig und Holstein "auf ewig". 1864 kam es deswegen zum Krieg. Holstein war im übrigen deutsches Reichsgebiet - 1474 erhob der Kaiser es zum Herzogtum. Insofern waren Christian I. und seine Nachfolger auch Reichsfürsten und Holstein - mit Osdorf - gehörte staatsrechtlich nicht zu Dänemark, sondern wurde nur in Personalunion beherrscht.

Auch Hamburg übrigens, anfänglich de jure schauenburgisch, wollten die dänischen Könige beherrschen und verlangten mehrfach die Huldigung (sprich Unterwerfung). Das wirtschaftlich erstarkende Hamburg hielt dem die Behauptung seiner Reichsunmittelbarkeit (Reichsstadt) entgegen, die ihm aber erst 1618 vom Reichskammergericht endgültig zugesprochen und dann erst 1768 von Dänemark anerkannt wurde - gegen hohen Schuldenerlass. Osdorf aber blieb sozusagen "dänisch" - bis 1864.

Für Osdorf war dies nicht nur ein einfacher "Durchlauf" durch die Geschichte. Im 30jährigen Krieg zogen dänische, kaiserliche und schwedische Truppen durch Holstein und "ernährten" sich aus dem Lande. Einquartierungen und Plünderungen richteten großen Schaden an und bewirkten viel Elend. So schrieb der Altonaer Chronist Hans Ehlers über die Truppen von Tilly und Wallenstein, die 1627 in die Grafschaft Pinneberg einrückten, sie hausten wie hungrige Wölfe! Im Nordischen Krieg wurde 1712 in Osdorf das Pesthospital der dänischen Truppen eingerichtet, d.h. das Dorf wurde mit den Kranken belegt. Durch Ansteckung starben auch viele Osdorfer.

Wirtschaftlich bedeutsam - auch für Osdorf - war die in 1771 erlassene und 1781-1790 umgesetzte Verord-nung über die Aufhebung der Feldgemeinschaften und die Bildung, "Verkoppelung", die eigenständig zu bewirtschaftende landwirtschaftliche Betriebsflächen zum Ziel hatte.

Verbunden mit dieser "Verkoppelung" war, dass "Knicks", wallartige Baum- und Strauchhecken, angelegt wurden. Sie dienten als Feldbegrenzungen, Windschutz und als Brennholzlieferanten. Heute wissen wir auch um ihre hohe ökologische Bedeutung. Die Knicks bilden einen wichtigen Lebensraum für viele Tierarten, insbesondere auch Singvögel. In Schleswig-Holstein sind die Knicks durch das Landesnaturschutzgesetz geschützt und seit 1966 gibt es eine "Knickverordnung", die deren Pflege regelt. Das fehlt für die Osdorfer Feldmark.

Die besondere rechtliche Stellung der Herzogtümer Schleswig und Holstein unter der Zusage "op ewig ungedeelt", geriet Mitte des 19.Jh in Gefahr, als im dänischen Reichstag die staatsrechtliche Eingliederung des Landesteiles Schleswig betrieben wurde. Der Deutsche Bund griff ein und 1864 exekutierten Österreich und Preußen dies durch Truppeneinmarsch. Danach verlief die Grenze nicht - wie von der dänischen Regierung erhofft - an der Eider, sondern weit nördlich zwischen Kolding und Ribe. Schleswig und Holstein wurden zunächst gemeinsam von Preußen und Österreich verwaltet, Osdorf wurde nun sozusagen österreichisch-preußisch. Das klappte wohl nicht ganz, jedenfalls wurde dies 1865 aufgeteilt. Preußen verwaltete Schleswig und Österreich Holstein - mit unserem Osdorf, das sich jetzt aber wohl nicht als österreichisch fühlte.

Preußen, besser Bismarck, hatte ohnehin mehr im Sinn, nämlich die Herrschaft über Norddeutschland, über die dann der Krieg mit Österreich in 1867 entschied.

Preußen siegte und annektierte Schleswig und Holstein. Nun war Osdorf preußisch.

Damit kommt die Stadt Altona ins Spiel. Schon im 18. Jh. gab es Pläne, Altona zu erweitern. Aber erst 1889 wurde dann Ottensen-Neumühlen eingemeindet. 1890 kamen Övelgönne, Othmarschen und Bahrenfeld hinzu. 1927 schließlich wurden mit Osdorf (mit damals 88 SPD-Mitgliedern bei 1.088 Einwohnern) auch Stellingen-Langenfelde, Eidelstedt, Lurup, Groß- und Klein Flottbek, Nienstedten, Blankenese, Sülldorf und Rissen eingemeindet. Alle zusammen wurden durch das Groß-Hamburg-Gesetz mit Wirkung vom 1.4.1938 Teil Hamburgs - was manchen Altonaer noch heute veranlasst, mit Stolz seinen Personalausweis zu zeigen, der Altona als seinen Geburtsort ausweist.

Vom Dorf zum Stadtteil

Osdorf blieb lange Zeit schlicht ein kleines Dorf. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jh. setzte eine stärkere Wohnbautätigkeit ein und auch Gewerbe begann sich anzusiedeln. 1870 errichtete Altona in Osdorf eine Armenanstalt, das Altonaer Landpflegeheim, in dem dann auch Geisteskranke und eine Knabenstation für vorübergehend zu beherbergende schulpflichtige Kinder Aufnahme fanden. Und schon Anfang des 20. Jh. begannen in Altona Überlegungen zur Schaffung von Siedlungsflächen auch in Osdorf für die Arbeiter der geplanten Industriegebiete in Eidelstedt, Stellingen und Langenfelde sowie für Umsiedler aus Altona-Alststadt, das saniert werden sollte. Nach dem I. Weltkrieg schuf das Reichsheimstättengesetz wichtige Vor-aussetzungen für den Bau von Häusern mit Gärten, die auch der Produktion von Nahrungsmitteln dienen sollten.

Alt-Osdorf um den ehemaligen Dorfkern ist nur noch an wenigen Orten und Gebäuden erkennbar, so an einigen reetgedeckten bäuerlichen Häusern. Eines erlebt sogar als Chinesiches Restaurant gut gepflegt seine alten Jahre. Ein anderes ist der 1842 errichtete Haidbarghof, für den seine letzte Besitzerin, Elisabeth Gätgens, eine kulturelle Stiftung einrichtete und damit seinen Erhalt sicherte.

In Osdorf-Mitte wurde auf ca. 23 ha zwischen Rugenbarg, Flurstraße, Blomkamp und Grubenstieg eine Siedlung geplant und zwischen 1932-1935 mit günstigen Krediten errichtet. Die Fa. Reemtsma errichtete hier auch Häuser für kinderreiche Mitarbeiterfamilien.

Ganz anders das Hochkamp-Gebiet, Es wurde ab 1896 im Süden Osdorfs geplant, dann als großzügiges Villengebiet bebaut und ist bis heute durch die Hochkampklausel vor Grundstücksteilungen und verdichteter Bebauung geschützt. Der Hochkampverein von 1918 wacht eisern darüber.

Die zunehmende Besiedlung auch des eigentlichen Dorfgebietes ließ zunächst langsam, aber stärker werdend den Dorfcharakter schwinden.

Jahr Einwohner

  • 1880 540
  • 1900 1.393
  • 1938 4.669
  • 2004 25.417

(Born 2004 rd. 12.600)

Von besonderem Gewicht war der Bau der Großwohnsiedlung Osdorfer Born von 1966-70. Sie nahm 104 ha der Feldmark in Anspruch, deren restlichen 167 ha zwar unter Landschaftsschutz stehen, aber durch Hochbaumaßnahmen im Zusammenhang mit dem Freien Röntgenlaser XFEL wesentlich beeinträchtigt werden.

Der "Born" ist Heimat für viele geworden, u.a. für viele Genossinnen und Genossen, die keine guten Wohnbedingungen in den Altonaer Sanierungsgebieten hatten. Heute wohnen hier auch viele Menschen, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind. Es gab und gibt hier soziale Probleme, aber auch viel ehrenamtliches soziales Engagement.

2007 wird der Osdorfer Born 40 Jahre alt.

Und noch etwas gehört zu Osdorf, nämlich der zu jeder Jahreszeit besuchenswerte Botanische Garten, den viele, weil am S-Bahnhof Klein-Flottbek gelegen, Flottbek zurechnen. Er ist aber Osdorfer, auch wenn vor der Gebietsneugliederung in 1938 Teile des südöstlichen Bereichs tatsächlich zum damaligen Groß-Flottbek gehörten. Osdorf gab damals auch Flächen ab, nämlich die nördlich des Glückstädter Weges liegenden an Lurup. Aber, um es noch ein bißchen komplizierter zu machen: Die Luruper Flächen zwischen Glückstädter Weg und Kroonhorst gehören planerisch zugleich zum Osdorfer Born - und auch zum SPD-Distrikt Osdorf.

Dies war sicher zu kurz für alles, was Osdorf angeht, aber mehr als ein kleiner Blick kann es hier nicht sein.

aus: Osdorfer Echo, Nr. 91 - Sonderausgabe, Redaktion Ingo Sengebusch